Die weltgrößte Ratingagentur Standard & Poor’s hat in einem beispiellosen Rundumschlag 15 der 17 Eurostaaten mit einer Herabstufung ihrer Bonität bedroht. Die US-Experten wählten dabei das schärfste Mittel vor dem eigentlichen Downgrade: Sie veränderten die Aussichten der jeweiligen Bonität auf den Status “negativ” und verordneten sich zudem eine “verschärfte Beobachtung”. Konkret bedeutet dies, dass die Ratingagentur in den kommenden 90 Tagen möglicherweise eine Herabstufung der so ganz besonders unter Beobachtung stehenden Länder vornimmt.
Erstmals ist auch Deutschland unter den betroffenen Staaten. Die Bestnote AAA der Bundesrepublik ist damit genauso bedroht wie die Frankreichs, Österreichs, Finnlands, Luxemburgs und der Niederlande. S&P klammerte lediglich Zypern und Griechenland von den Eurostaaten aus, da Zypern ohnehin schon unter “verschärfter Beobachtung” steht und die griechische Bonität inzwischen auf “Ramsch-Niveau” angekommen ist.
Wertvolle Zeit verschenkt
Als Begründung der drastischen Maßnahme führte die Ratingagentur die verschärfte Eurokrise ins Feld. Die Probleme lägen mittlerweile so tief, dass sich Automatismen entwickeln könnten, die für die Politik nicht mehr beherrschbar seien, so S&P. Dies mache sich bereits jetzt dadurch bemerkbar, dass es in der Eurozone immer schwieriger sei, Darlehen zu erhalten. Zudem leide die Bekämpfung der Krise nachhaltig darunter, dass sich die führenden Regierungen uneins seien. So werde wertvolle Zeit verschenkt.
Regierungen und Börsen reagieren gelassen
Die Regierungen der Eurozone reagierten gelassen auf die Androhung S&P’s. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte, was eine Ratingagentur mache, sei deren Sache. Die FDP sprach sich erneut für mehr Wettbewerb unter den Agenturen aus. Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker fand allerdings deutlichere Worte: Die Maßnahme sei “maßlos überzogen und ungerecht”, erklärte der Premierminister Luxemburgs.
Mit Blick auf sein eigenes Land, das gerade einmal eine Verschuldung von 20 Prozent des BIP aufweist, kommentierte Juncker, bei S&P seien “Irrationale am Werk”. Die Börsen teilen diese Ansicht des Premiers offenbar. Die Kurse liegen nur Verhalten im Minus und lassen keine Anzeichen eines Schocks erkennen, den manch einer befürchtet hatte.